Enzyme: die Arbeiter in unserem Körper
Enzyme sind die Arbeiter in unserem Körper, die unsere Lebenskraft wesentlich mitbestimmen. Im menschlichen Organismus wurden bislang mehr als dreitausend verschiedene Enzyme identifiziert, die zu über zehntausend enzymatischen Reaktionen beitragen. Einer der wesentlichen Aspekte von Enzymen im Vergleich zu den meisten anderen Katalysatoren oder natürlichen Wirkverstärkern ist ihre hohe Selektivität und Spezifität, d. h. sie „wissen“, wann, wo und in welchen Kompartimenten oder an welchen Stoffen sie agieren müssen – fast so, als wären es kleine Lebewesen. Und vielleicht sind sie das ja auch.
Enzyme in unserer Nahrung
Neben den vom Körper selbst produzierten Verdauungs- und Stoffwechselenzymen nehmen wir Enzyme über die Nahrung zu uns. Gleichzeitig unterstützen wir durch den Verzehr gesunder Nahrung auch die von Bakterien in uns synthetisierte körpereigene Enzym-Produktion. Der regelmäßige Verzehr von Enzymen und enzymreichen Lebensmitteln wie Fermentprodukten ist somit ein Schlüssel zu einer lebendigen Gesundheit, zur Vorbeugung von Krankheiten und Teil des Anti-Aging-Prozesses, nämlich da, wo dieser zu einer Entschleunigung des Alterungsprozesses beiträgt. Jede Zelle in unserem Körper benötigt Enzyme für ihre biochemischen Funktionen. Andererseits beschleunigt ein Mangel an Enzymen bzw. deren eingeschränkte Wirksamkeit die Alterung und verschlechtert Heilungs- sowie Gesundungsprozesse.
Die Aufgabe von Enzymen
Einige der wichtigsten Aufgaben von Enzymen sind: die Regulierung des Wachstums unseres Körpers von einer einzelnen Zelle hin zu einem reifen Organismus, die Umwandlung von Nahrung in Energie, der Abbau von abgestorbenem Gewebe, die Unterstützung hormoneller Prozesse, der Aufbau bestimmter Stoffe in der Zelle sowie wichtige Signalfunktionen. Enzyme helfen uns bei der Verdauung, beim Abbau von Giften, bei der Reinigung unsere Gefäßsysteme, der Unterstützung unseres Immunsystems, bei anabolen Stoffwechselprozessen zum Bau von Struktur- und Funktionsproteinen usw.
Serrapeptase: Das Schmetterlings-Enzym
Die Serrapeptase wurde erst vor wenigen Jahrzehnten von japanischen Wissenschaftlern als Stoffwechselprodukt eines Enterobakteriums namens Serratia marcescens im Darm der japanischen Seidenraupe Bombyx mori entdeckt. Die Larven der Seidenraupe werden bereits seit über 4600 Jahren in China gezüchtet. Der von der Raupe gesponnene Kokon besteht aus Seide, einem der luxuriösesten und gleichzeitig einem der festesten und haltbarsten Stoffe in der Natur. Die Forscher aus Japan fanden seinerzeit heraus, dass die Funktion von Serrapeptase im Darm, mit der die Darmbakterien der Raupe zuhilfe kommen, im Wesentlichen aus zwei Aufgaben besteht:
- Das über den Speichel synthetisierte Enzym dient einmal zur Verdauung der für die Seidenraupe lebenswichtigen Hauptnahrung: den sehr widerstandsfähigen Maulbeerblättern.
- Zum anderen befreit sich die Raupe nach der Reifung damit zügig aus dem harten Kokon aus Seidenprotein, um dann als Seidenraupenmotte in ein neues Leben fliegen zu können. Dabei zeigt die Serrapeptase eine besondere Affinität zu den toten Eiweißmolekülen am unteren Ende der starken, proteinreichen Seidenfäden, aus denen der Kokon besteht. Seide setzt sich aus speziellen Proteinen zusammen, die von der Raupe abgesondert und versponnen werden. Die Seide wird von dem nahezu unlöslichen Fibroin und einer klebstoffähnlichen Schicht eines weiteren Proteins namens Serizin zusammengehalten. Es ist eine extrem starke, robuste und widerstandsfähige Proteinverbindung, und doch kann es von der Serrapeptase problemlos aufgebrochen und abgebaut werden. Das Enzym schmilzt das tote Gewebe des Kokons buchstäblich weg und entlässt die Raupe so auch schnell in die Metamorphose, was sie wiederum vor Fressfeinden bewahrt.1
Diese besonderen Enzymaktivitäten von Serrapeptase und die hohe Affinität zu absterbendem, nekrotischem, nicht aber zu lebendem Gewebe sind einzigartig. Sie ermöglichen es der Raupe schnell, den alten Panzer abzubauen, der sie bis dahin geschützt hat.
Serrapeptase: Das Wunder-Enzym
Kein Wunder, dass dieses natürlich vorkommende Enzym das Interesse der japanischen Biochemiker in den späten 1970er Jahren erregte und anspornte. Die Forscher entdeckten bei ihren Untersuchungen, dass Serrapeptase eine Vielzahl an gesundheitlichen Vorteilen bot. Das Repertoire dieses Enzyms ist beeindruckend. Die Seidenraupe und das mit ihr in Symbiose lebende Bakterium Serratia marcescens besitzen außergewöhnliche, die Gesundheit unterstützende Eigenschaften, was den naturheilkundliche Arzt und Orthemolekularmediziner Dr. Hans Nieper schon in den 1980er Jahren dazu angeregt hat, diesen Fermentierungsspezialisten als „Wunderenzym“ zu bezeichnen.2 Als fibrinolytische Protease liegt es in der Natur von Serralysin, den Organismus bei vielen seiner Reinigungsaufgaben zu unterstützen, wie z. B. dem Aufschluss von abbaupflichtigen Eiweißstrukturen im Darm, aber auch systemisch im gesamten Organismus, wie z. B.im Blut. Deshalb weisen wir darauf hin, daß Serralysin aufgrund seiner fibrinolytischen Funktion auch blutverflüssigende Eigenschaften hat und die Wirkung blutverdünnender und gerinnungshemmender Arzneimittel verstärken kann. Durch seine schleimverflüssigenden Eigenschaften trägt es zur Selbstreinigung der Atemwege bei und kann Biofilmen im Darm entgegenwirken.34567
Historie von Serratia marcescens und Serralysin
Über das Bakterium selbst weiß die Forschung erst seit wenigen Jahren mehr, obwohl es bereits 1819 von dem venezianischen Apotheker Bartolomeo Bizio im Zusammenhang mit dem „Brotwunder“ Christi entdeckt wurde. Die Einwohner der Stadt Padua wunderten sich über rote Flecke auf ihrer Polenta und brachten es in Zusammenhang mit der im Jahre 1263 während einer Messe in Bolsena angeblich aufgetretenen Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi, d. h. in Anlehnung an die von der Kirche gepredigte Transsubstantiationslehre. Ein Ereignis, das der berühmte Maler Raffael auf einem Fresko im Apostolischen Palast der Vatikanstadt verewigt hat. Sehr schnell fand Bizio jedoch heraus, dass der Grund für das eigenartige „Bluten“ der Maismasse ein Bakterium war, das einen roten Farbstoff exprimierte, den wir heute unter dem Namen Prodigiosin kennen, was zu deutsch so viel wie „wunderbar“ heißt. Bizio kennzeichnete das Bakterium zu Ehren des italienischen Physikers Serafino Serrati mit dem Namen Serratia marcescens, wobei der Anhang auf den schnellen Verfall des Pigments zielte.
Wissenschaftler haben inzwischen nachweisen können, dass Prodigiosin die Darmflora von Nagern verbessert.8 Serratia m. schützt über seine Darmaktivitäten sogar die Malariamücke Anopheles sinensis vor den Auswirkungen des Plasmodienbefalls und damit vor genau dem Erreger der Malaria, den sie durch ihren Stich auf den Menschen übertragen kann.9 Das Bakterium ist also in vielerlei Hinsicht sehr hilfreich, was die Darmgesundheit und die mit ihr verbundene Abwehrkraft anbetrifft.
Wirkweise von Serratia marcescens
Inzwischen kennen wir zahlreiche Serratia-Arten. Sie gehören zur Großfamilie der Enterobakterien. Das Enterobakterium Serratia marcescens ist die am häufigsten verbreitete Art. Es kommt nicht nur im Darm der Seidenraupe vor, sondern ist überall in der Natur zu finden: im Wasser und am Boden, bei Tieren und Pflanzen wie z. B. in der Zucchini, aber auch als Symbiont im menschlichen Darm, wo die Keime organische Stoffe zerlegen und wichtige Enzyme wie eben die Serrapeptase bereitstellen.10 Dies zeigt, dass dieses ubiquitär vorkommende Kleinstlebewesen eine wichtige regulative Funktion in organischen Prozessen nicht nur im Boden, sondern auch im Biotop Mensch innehat. Wenn sich Bakterien zusammenschließen, bilden sie eine Schutzbarriere, die es ihnen ermöglicht, sich zu vermehren. Geschieht dies in einem sauerstoffarmen und toxischen Milieu, werden Bakterien gezwungen, andere Stoffwechselwege wie die Nitrat- oder Eisenatmung zur Überlebenssicherung zu beschreiten. Dies führt zu Dysbiosen und Entzündungen im Darm. Gleichzeitig bilden die Bakterien Biofilme als Barrieren zur Abwehr gegen Antibiotika und andere Angriffe. Es wird angenommen, dass eiweißspaltende Enzyme wie Serrapeptase in der Lage sind, die Bildung dieser Biofilme über die Proteolyse der in Biofilmen enthaltenen Eiweiße aufzulösen und zu verdünnen, ähnlich wie das bei dem Kokon der Seidenraupe geschieht, und so auch bei anderen schleimhaltigen Stoffen, wie etwa in den Atemwegen. Der Wirkbereich des Enzyms liegt systemisch zwischen pH 7 und 9, wobei das Optimum bei 40° Temperatur erreicht wird. Erst mit einer Temperatur von 50° und mehr wird es denaturiert.
Katzenkralle als Cofaktor
Die Katzenkralle wird in Lateinamerika seit Jahrtausenden von der indigenen Bevölkerung in der traditionellen Volksmedizin verwendet. Die Völker konsumieren sie bevorzugt als Tee, um Geist und Körper zu reinigen und sich vor Krankheit zu schützen. In der traditionellen Volksheilkunde in Mittel- und Südamerika nimmt die Katzenkralle eine ähnlich prominente Stellung ein wie der Löwenzahn und die Mariendistel in Europa oder der Ginseng in Asien.
Entdeckung der Katzenkralle
Die Kenntnis über die Katzenkralle verdanken wir einer Gruppe von österreichischen Bergsteigern, die 1959 während einer Anden-Expedition im Tiefland von Peru auf Angehörige des Amazonasstammes der Asháninca stießen. Die Mitglieder der westlichen Expedition tauschten sich mit den pflanzenkundigen Indios des Stammes aus, der seit 5000 Jahren den Tieflanddschungel am Rande des ehemaligen Inka-Imperiums besiedelt. Auf diese Weise gelangten die Geheimnisse der Pflanze in die Öffentlichkeit und in den Westen, wo sie auf großes wissenschaftliches Interesse stießen. Der spanische Name für die Katzenkralle lautet Uña de Gato. Die taxonomisch korrekte Bezeichnung lautet Uncaria tomentosa (Willd.) DC. Die Uncaria, von der in Lateinamerika zwei Gattungen heimisch sind, ist eine mächtige Rebe aus der Familie der Röte- oder Kaffeegewächse (Rubiaceae). Sie wächst aber nicht als Baum oder Strauch wie Kaffee, sondern als Liane hoch in den Himmel und erreicht mit ihren weit verzweigten, bis zu 30 cm dicken Stämmen, teilweise eine Länge von mehreren 100 Metern.
Für die indigenen Völker, welche die Pflanze „Villcacora“ nennen, was so viel wie „heilige Pflanze“ bedeutet, gilt die Liane als Geschenk der Götter. Laut einer Legende der Asháninca wurde die Kraft der Katzenkralle durch einen ihrer Götter an ein Stammesmitglied offenbart, der sich auf der Jagd befand. Nach einer erfolglosen Jagd machte er erschöpft Rast und sah, wie ein mächtiger Puma mit seinen Krallen an der Rinde eines Strauchs kratzte und den Pflanzensaft trank. Der Jäger folgte dem Vorbild der Großkatze und schlief nach Einnahme des Trunks ein. Im Traum sah sich der Jäger erneut sein Glück versuchen und konnte mit nur einem einzigen treffsicheren Pfeil ein großes Gürteltier erlegen. Die Asháninca glaubten seitdem, dass die Katzenkralle eine magische und zugleich heilsame und kraftspendende Pflanze ist.11 Die Blattranken der Uncaria tomentosa sind sichelförmig gekrümmt und erinnern auch bildlich an die Form einer Katzenkralle.
Katzenkralle in der Wissenschaft
Seit den späten 1990er Jahren hat die wissenschaftliche Literatur zu den Uncaria Gattungen enorm zugenommen und stößt aktuell auf immer größer werdendes Interesse. Zahlreiche Publikationen – mehr als 700 – zu den bioaktiven Eigenschaften der Pflanze und ihrer inzwischen ebenfalls untersuchten verwandten Gattungen der Uncaria-Familie in Asien wie U. Hook, U. sinensins oder U. rhynchophylla sind inzwischen allein unter PubMed, der größten Online-Datenbank für Biochemie und Medizin in den Vereinigten Staaten veröffentlicht worden.1213 Selbst für die Uncaria tomentosa findet man dort mit Stand Februar 2022 über 255 Studien.14
Inhaltsstoffe der Katzenkralle
Die Wurzel der Uncaria tomentosa enthält mindestens 26 biochemisch aktive Pflanzenstoffe. Die bislang untersuchten Hauptinhaltsstoffe sind neben den bedeutsamen Alkaloiden in erster Linie Sterole, Triterpene und Flavonoide wie Procyanidin, Epicatechin, Catechin sowie phenolische Verbindungen. Die in der Katzenkralle isolierten Gerbstoffe finden sich z. B. auch im Grüntee. Die Reichhaltigkeit der Pflanzeninhaltsstoffe erklärt auch ihre unspezifischen zahlreichen regulierenden und teils gegensätzlichen Wirkungen im Organismus. Die Natur ist eben schlau. Sie reguliert unspezifisch und systemoffen mithilfe von Steuerung und Gegensteuerung, nicht über simple mechanische Angriffe der Hemmung oder Aktivierung über Monosubstanzen, wie sie typischerweise in Arzneimitteln vorkommen. D. h. die Pflanze trägt zur Balancierung zahlreicher Regelkreise und Feedbackschleifen von wichtigen Stoffwechselwegen im Organismus bei.
Quellenangaben:
1 Sellman S: Serrapeptase, An Amazing Gift from The Silk Worm. 2003; World rights reserved.
2 Nieper Hans A, Alexander Arthur D., Eagle-Ogden GS: The Curious Man: The Life and Works of Dr. Hans Nieper. Garden City Park, NY: Avery Publishing Group; 1999.
3 Tiwari M. The role of serratiopeptidase in the resolution of inflammation. Asian J Pharm Sci. 2017 May;12(3):209-215. doi: 10.1016/j.ajps.2017.01.003. Epub 2017 Feb 1. PMID: 32104332; PMCID: PMC7032259.
4 Nakamura S et al: Effect of the proteolytic enzyme serrapeptase in patients with chronic airway disease. Respirology. 2003 Sep;8(3):316-20. doi: 10.1046/j.1440-1843.2003.00482.x. PMID: 12911824.
5 Sharma C et al: Serratiopeptidase, A Serine Protease Anti-Inflammatory, Fibrinolytic, and Mucolytic Drug, Can Be a Useful Adjuvant for Management in COVID-19. Front Pharmacol. 2021 Jun 24;12:603997. doi: 10.3389/fphar.2021.603997. PMID: 34248612; PMCID: PMC8265778.
6 Gupta P.V. et al: Antimicrobial and antibiofilm activity of enzybiotic against Staphylococcus aureus, in: A. Mendez-Vilas (Ed.), The Battle Against Microbial Pathogens: Basic Science, Technological Advances and Educational Programs, Formatex Research Center, 2015, pp. 364–372.
7 Mukherji R. et al: Role of extracellular proteases in biofilm disruption of gram positive bacteria with special emphasis on Staphylococcus aureus biofilms, (2015) Enz. Eng. 4 (1).
8 Li X, Tan X, Chen Q, Zhu X, Zhang J, Zhang J, Jia B. Prodigiosin of Serratia marcescens ZPG19 Alters the Gut Microbiota Composition of Kunming Mice. Molecules. 2021 Apr 9;26(8):2156. doi: 10.3390/molecules26082156. PMID: 33918541; PMCID: PMC8069934.
9 Bai L, Wang L, Vega-Rodríguez J, Wang G, Wang S. A Gut Symbiotic Bacterium Serratia marcescens Renders Mosquito Resistance to Plasmodium Infection Through Activation of Mosquito Immune Responses. Front Microbiol. 2019 Jul 18;10:1580. doi: 10.3389/fmicb.2019.01580. PMID: 31379768; PMCID: PMC6657657.
10 N.S.Kaviyarasi et al: Serrapeptase Gene of Serratia Marcescens from Plant Origin Expressed by Pichia Pastoris has Protease Activity; Indian Journal of Medical Research and Pharmaceutical Sciences June 2016; 3(6) ISSN: ISSN: 2349-5340; DOI: 10.5281/zenodo.55948.
11 Bäumler, Siegfried. Heilpflanzenpraxis heute – Arzneipflanzenporträts. Urban & Fischer; 3. Edition (21. Januar 2021).
12 Suchergebnis Uncaria PubMed:https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=Uncaria.
13 Kushida H, Matsumoto T, Ikarashi Y. Properties, Pharmacology, and Pharmacokinetics of Active Indole and Oxindole Alkaloids in Uncaria.
14 Suchergebnis Uncaria tomentosa PubMed; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=Uncaria+tomentosa.